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Outstanding

Einige wenige Möbelstücke haben das Zeug zum Klassiker, der die Zeiten überdauert. Wir zeigen ein paar Kandidaten fürs Treppchen.


Jede Zeit braucht ihre Helden 

Einige wenige Möbelstücke haben das Zeug zum Klassiker, der die Zeiten überdauert. Wir zeigen ein paar außergewöhnlich gelungene Kandidaten fürs Treppchen.

Sie sind das Salz in der Suppe, Inseln der Kreativität im Meer des Belanglosen: Jene Entwürfe, die heute auffallen, morgen Klassiker und übermorgen Design-Ikonen sind. Natürlich kann auch bei den herausragenden Stücken einer Saison niemand sagen, welches davon einst in die Annalen eingehen wird, aber wer ein Auge hat zu sehen, dem ist schnell klar, welche Objekte das Zeug dazu haben. Sebastian Herkners Sofa- und Beistelltisch Bell Table, den ClassiCon dann ins Programm nahm, ist so ein Signature Piece, jetzt auch in einem leuchtenden Blau erhältlich. Und das hat jetzt einen großen Bruder bekommen, der ähnlich erfolgreich werden dürfte: den Bell High Table, einen veritablen runden Esstisch, dessen messingumrandete Platte auf einer riesigen, mundgeblasenen Glasglocke ruht. Die ästhetische Spannung der Materialien, die schiere Schwerelosigkeit, die den Tisch auszeichnet, das ist schon outstanding. Sein Gespür für Handwerkskunst, insbesondere die Kunst der Glasbläser, beweist Herkner dann auch bei der Plissée-Leuchte (ebenfalls für ClassiCon), die auf den ersten Blick aussieht wie eine japanische Papierleuchte. Herkner zum Dritten in dieser Liste von Ikonen-Anwärtern: Sein Stuhl 118 für Thonet, 2018 vorgestellt, ist schon jetzt zum Klassiker avanciert. In Köln wurde sein langer Bruder präsentiert, der Barstuhl 118 H, zudem Varianten mit Polster und Rohrgeflecht.

Ähnlich bemerkenswert wie Herkners Œvre ist das des Münchners Stefan Diez. Nach dem Regalsystem New Order für Hay ist es jetzt die Leuchte Ayno, die in der schnelllebigen Design-Welt Anspruch aufs Überdauern erheben kann. Hatte Midgard, der wiederauferstandene Spezialist für lenkbares Licht, gerade noch die Augen aller Bauhaus-Fans mit einer streng limitierten, handgefertigten Sonderedition der Schreibtisch-Leuchte TYP 113 zum Glänzen gebracht, so überraschte das Unternehmen jetzt mit einem mutigen Sprung in die Zukunft, dem ersten Entwurf einer neuen Midgard-Leuchte seit den 1950er-Jahren: Stefan Diez’ schwarz-neonorangefarbene Ayno-Leuchte (erhältlich in verschiedenen Größen von der Tisch- bis zur großen Stehlampe) lässt sich mit einem simplen Kordel-Klemm-Mechanismus in jede Richtung und Form steuern – und soll auch noch zu einem höchst attraktiven Preis auf den Markt kommen. Ein Fiberglasstab, ein Kabel und zwei Verstellringe bilden die Basis für Ayno. Ganz ohne Gelenke, nur anhand der stufenlos verschiebbaren Ringe, lässt sich der Stab beugen und somit auch die Leuchte. Der kegelförmige Schirm ist schwenkbar.

Zwei Geheimtipps für die Anwartschaft auf die Design-Walhalla liefert die französische Design-Agentur Petite Friture, die schon mit Constance Guissets schwungvoller Deckenleuchte Vertigo (gibt es jetzt auch in einem hinreißenden Blau) einen Welterfolg hat: Der elegant gerundete, ausziehbare Tavla-Tisch erinnert mit seinen Intarsien-Vierecken an das namengebende, im Nahen Osten so beliebte Backgammon-Spiel, und der neue Fromme-Stuhl besticht nicht nur durch seine optische Leichtigkeit und Outdoor-Nutzbarkeit, sondern auch durch den frechen Aufschwung am hinteren Ende der wie bei einem Fahrrad auf Gummidämpfern gelagerten Sitzschale. Schon seit vielen Jahrzehnten Klassiker sind die keramischen Entwürfe, die Theodor Bogler 1923 am Bauhaus schuf: Behälter und Flaschen für Essig oder Öl. Bogler übertrug als Erster das von Walter Gropius entwickelte Baukastensystem auf den Bereich der Keramik und ist vor allem durch die sogenannte Kombinationsteekanne bekannt geworden. Auf dem Keramikkorpus einer von Theodor Bogler gestalteten Flasche basiert die in Köln gezeigte Bogler-Lampe, mit der die HB Werkstätten für Keramik, gegründet und bis 2001 geleitet von der legendären Keramikerin Hedwig Bollhagen, Licht auf perfekte Art mit Keramikkunst verbinden. Vielleicht (noch) keine Design-Ikonen, aber Lieblinge fast aller Design-Fans sind die auffälligen, farbenfrohen Outdoor-Möbel von Ames, entworfen u.a. vom omnipräsenten Sebastian Herkner. Aktuell punktet die Ames-Gründerin, die gebürtige Kolumbianerin Ana Mariá Calderón Kayser, mit dem Caribe Chic Dining Table (auch mit eleganter Marmorplatte) und dem Cielo Daybed, die wie alle Ames-Produkte von Handwerkern in ihrer Heimat hergestellt werden. Bewegliches Licht in neuer Form hat Northern aus Oslo mit der drehbaren Leuchte Balancer entwickelt und Sebastian Hepting die um 360 Grad drehbare multifunktionale Glasleuchte Tubular für den verstorbenen Ingo Maurer.